Zeitbeobachter, Journalist, CEO monkeymusic
Für Konsumenten ist der Zugang zu Musik sehr bequem geworden. Auf Kosten der Künstler und kleinen Labels.
„Money money money / must be funny / in the rich man’s world“. So trällerte einst das Pop-Quartett ABBA, heute hüpfen dazu – Mamma Mia! – gelenkige Profi-Darsteller über die Musical-Bühne. Mit der Erinnerung an die Schweden-Bomber wird immer noch ordentlich Kasse gemacht. Tatsächlich ist die härteste Währung im Geschäftsleben, Unterabteilung Musikbusiness, die Summe der verkauften „Einheiten“ (so der Branchenjargon) – egal, ob es sich um Konzertkarten, Tonträger oder Fan-Devotionalien handelt.
Halt! Tonträger? Ja, es gibt sie noch zu kaufen – CDs, und in letzter Zeit auch wieder vermehrt Vinyl-Schallplatten. Aber werfen Sie doch einmal einen Blick in die entsprechenden Abteilungen in Elektrogroßmärkten: so richtig brummt dieses Geschäft nicht mehr, gelegentlich fühlt man sich, allein auf weiter Flur, wie der letzte Mohikaner.
Doch es soll hier kein Wehklagen über die Vergangenheit des Tonträger-Geschäfts losbrechen. Denn insgesamt geht es mit der Musikindustrie wieder aufwärts (in Österreich z.B. im Vorjahr gleich um 5,5 Prozent, was den Umsatz betrifft). Eine Entwicklung, die der rasanten Verbreitung des Business-Modells Streaming geschuldet ist. Die Einnahmen aus Abos bei Spotify, Apple Music, Amazon, Deezer & Co., also der digitale Musikmarkt – bei dem Downloads eine immer kleinere Rolle spielen – hat im konservativen Österreich das Segment der physischen Tonträger bereits überholt.
In diesem Kontext ist das sogenannte „Value Gap“ besonders leuchtkräftig, im negativen Sinne: denn populäre Gratis-Streaming-Plattformen wie YouTube oder Facebook zahlen nur (wahrscheinlich ob ihrer vergleichsweisen Lachhaftigkeit) streng geheim gehaltene Summen an Kreative, Verwertungsgesellschaften, Labels und Verlage aus. Generell wird über Geld ungern geredet.
Nach einer langen Spanne des Niedergangs – man sehe sich die brutale Delle in der Statistik an! – legt das Geschäft mit Tonträgern und Digital-Files seit 2017 wieder zu. Egal, ob Spotify, Apple Music, Google Play, Qobuz, Deezer, Amazon Music, Tidal – man bezahlt heute, so man denn etwas bezahlt, für den bequemen Zugang zu Musik, nicht für den Besitz. Dass als handfeste Antithese auch der Verkauf von Schallplatten zugenommen hat, ist ein Nischen-Wunder, macht aber das Kraut nicht fett. Die CD ist tot – wird aber, dem Rieplschen Gesetz zufolge, nie ganz von der Bildfläche verschwinden. Und was waren nochmals genau Downloads? Wenn nun die Verknüpfung der Streaming-Funktionalität mit Alltags-Schnittstellen wie Google Home, Amazon Echo oder dem Apple HomePod weiter auf dem Vormarsch ist, dürfen wir Alexa & Co. glückstrunken um den Radetzkymarsch in höchster Lautstärke ersuchen?
Nein. Denn viele Sorgen und Nöte der Musikindustrie sind ungelöst. Ich will dabei weniger zynisch und präziser in meiner Definition werden: „Industrie“ schließt selbstverständlich Musikerinnen und Musiker, Autoren und Texter, Booker und Veranstalter, Manager, Musiklehrer und Medienmacher mit ein. Wussten Sie, dass die Vielzahl der winzigen Indie-Labels mehr österreichische Töne produziert und veröffentlicht als die transnationalen Major-Giganten? Und dass diese, gemeinsam mit ihren Künstlern, seit Jahr’ und Tag um genug Brösel vom Kuchen kämpfen müssen, um nicht zu verhungern?
Die österreichische Regierung hatte sich für ihre EU-Ratspräsidentschaft vorgenommen, im digitalen Zukunftsgeschäft für fairere Bedingungen für Kreative zu sorgen. Die Wege dahin sind umstritten, weitergegangen ist eher nichts. Die größte und reichste Streaming-Quelle von allen – YouTube – darf ungebrochen der Unfairness, Undurchsichtigkeit und parasitären Geschäftemacherei bezichtigt werden. Und wir alle spielen teils freudig, teils zähneknirschend mit. Ewig kann das so nicht weitergehen.
Nun ist Streaming für die Internet-Generation fast schon ein alter Hut. Allerdings ist Österreich ein Nachzügler, gemeinsam mit Ländern wie Deutschland und Japan. In Skandinavien wird fast nur mehr per Smartphone oder Netz-Receiver gehört. „Smarte“ Berieselungs-Playlists für den Alltag im Büro oder Design-Wohnzimmer sind en vogue. Experten führen gern den plakativen Spruch im Mund, Streaming sei das neue Radio.
Darüber lässt sich trefflich streiten, zumal ja das altgediente UKW-Dampfradio auch auf die Entwicklung reagiert, seine Sendungen (oder ganze Sparten-Musiktruhen) ins Netz stellt und „on demand“ nachhören lässt. Oder, wie der ORF, darüber nachdenkt, für eigene Kanäle und Plattformen spezifische Inhalte zu produzieren, die eben nicht mehr per Ultrakurzwelle zu empfangen sein werden. Wenn es sich um audiovisuellen Content handelt, will man gar in Konkurrenz mit YouTube, Netflix & Co. treten.
Was kann im Sektor HiFi mithalten? Oder gar eigene Zukunftsakzente setzen? Man notiere sich diesen Namen: Roon, mit zwei O! Was das ist? Die ausgefeilteste Anwendung, die derzeit weit und breit für Connaisseure der Pop-, Rock-, Jazz- und Klassik-Welt für gutes Geld zu bekommen ist. Eine Kombination aus Hard- und Software, die die eigene digitale Musiksammlung konsequent analysiert, katalogisiert und für den Besitzer wie ein Magazin aufbereitet.
Selbstverständlich kann auch auf die gängigen Streamingdienste zugegriffen werden – von Spotify und Apple Music bis zu den High End-Services Tidal und Qobuz. Das plakative Schlagwort einer „unbegrenzten Jukebox“, wie es von den Werbetrommlern der Services gern in den Mund genommen wird, lässt sich damit tatsächlich realisieren. Zumindest annähernd. Und Entdeckungslust ist damit auch für Besitzer exorbitant großer digitaler Sammlungen an Audio-Material zu triggern.
Allerdings ist Roon, trotz zehnjähriger Entwicklungszeit eines eigenen Teams immer noch ein Geheimtipp. Aber es gibt uns prototypisch eine Ahnung davon, wohin die Reise geht. Gewiss: um einfach so Musik dudeln zu lassen, bedarf es des Aufwands nicht. Aber es gab sie immer schon: die Hörer und Firmen, die mehr wollten.