Richard Sbuell

CEO Supersonic

Der technologische Fortschritt ist nicht das Maß aller Dinge

Richie Sbüll

Heutzutage muss man sich wohl zu allererst die Frage stellen, wie Musik von den meisten Menschen eigentlich konsumiert wird. Maßgebend dafür sind die zur Verfügung stehenden Technologien sowie die sich ständig verändernden sozialen Umstände in unserer Gesellschaft. Ich selbst z.B. wurde in die Walkman-Generation hineingeboren. Für mich war es also schon als Kind selbstverständlich, dass Musik ein ständiger Begleiter in meinem Leben ist. Das Konsumverhalten meiner Generation stieß verständlicherweise auf entsprechendes Unverständnis bei meinem Eltern und die Ansage „Tu endlich einmal die deppaten Kopfhörer aussi“ hat meine Generation in ihrer Jungend wohl sehr oft gehört. Klarerweise wurde befürchtet, dass wir durch die ständige Dauerbeschallung in entsprechender Lautstärke psychische Schäden erleiden würden. Ein kleiner Tinnitus ist mir geblieben, aber ganz so schlimm war es dann doch nicht…

Was ich mit dieser Anekdote zum Ausdruck bringen möchte, ist dass sich dieser Trend seit den frühen 80er Jahren natürlich weiter beschleunigt hat. Heutzutage ist Musik eine Massenware, die bewusst als Genussmittel oder schnell so nebenbei wie Fast-Food konsumiert werden kann. Dabei ist es durchaus interessant festzustellen, dass nicht mehr der technologische Fortschritt das Maß aller Dinge ist, denn sonst hätte Vinyl wohl kaum wieder so eine Renaissance erlebt. Hier steht eindeutig der bewusste Genuss von Musik im Vordergrund, und in dem Kontext ist es natürlich auch schön und wünschenswert, das Medium an sich bewusst erleben zu können.

Diese Emotionen können Smartphone und Cloud nur bedingt transportieren. Dennoch sind natürlich auch die neuen Technologien ein wahrer Segen für uns. Alte und nicht mehr zeitgemäße Strukturen in der Musikindustrie wurden durch die digitalen Plattformen aufgebrochen. Heutzutage kann jeder Künstler seine Werke der breiten Öffentlichkeit zugänglich machen, ohne sich mit den etablierten Musiklabels arrangieren zu müssen. Klarerweise ist der neuzeitliche Dschungel unserer Musikwelt unüberschaubar geworden. Dadurch kam es gezwungenermaßen zu einer Entwertung von Musik an sich, denn der Wert eines Guts richtet sich naturgegeben nach Angebot und Nachfrage. Kein Segen ohne Fluch!

Den Fortschritt als Feind zu betrachten, ist jedenfalls unangebracht. In dem Kontext bauen wir Geräte für den ganz normalen Menschen, der Musik konsumiert, wie es ihm beliebt. Entsprechend bieten unsere Geräte auch die Schnittstellen zu allen gängigen Plattformen (digital wie analog) an. Auf das individuelle Verhalten und Bedürfnis des jeweiligen Menschen einzugehen, ist für mich unerlässlich, und dabei gibt es kein „Gut“ und kein „Schlecht“. In unserem Umfeld sehen wir auch in der Zukunft einen anhaltenden und sich weiter verstärkenden Vinyl-Trend. Für die schnelle und einfache Verbindung von Audioquelle und Wiedergabeeinheit wird zudem Bluetooth weiterhin maßgeblich sein. Streaming-Lösungen in Verbindung mit WIFI machen aus meiner Sicht eher zu Hause Sinn, da mit diesen Lösungen immer ein gewisser Konfigurationsaufwand einhergeht. Neben den etablierten Streaming-Plattformen wird das Mainstream-Nischenmedium Vinyl die nächsten Jahre bestimmen; andere physikalische Medien haben meiner Meinung nach kein Potenzial, wobei uns anscheinend auch das große Revival der Kompaktkassette nicht erspart bleiben wird. Aber das ist zum Glück noch eine Story für eine der kommenden Klangbilder.

Meine Lieblingstitel 2019

Im Rahmen der Klangbilder 2019 möchte drei, natürlich auf Vinyl erschiene, Alben empfehlen. Starten möchte ich mit tiefer, sphärischer Elektronik - dem Dolomite Dub vom begnadenden Wiener Produzenten Ulrich Troyer. Ein wunderbares Album, welches eine durchgängige sich aufbauende Geschichte erzählt. Diese Platte kann man definitiv auflegen, wenn man mal die Welt um sich herum vergessen möchte und nach 42Minuten und 33 Sekunden mit neuer Energie und Lebenslust in den Alltag zurückkehren will.

Jerobeam Fenderson - Oscilloscope Music

Meine zweite Empfehlung fällt in den Nerd-Sektor. Jerobeam Fenderson produzierte mit Oscilloscope Music ein Album welches nicht nur angehört, sondern auch angesehen werden kann. Wie ist das möglich? Indem man ein Oszilloskop im X/Y Betrieb mit „Record-Out“ seines Verstärkers verbindet. Jede der unzähligen Amplituden aus denen sich die durchaus interessanten Musikstücke Fendersons zusammensetzen ist auch gleichzeitig auch eine Koordinate auf dem Bildschirm des Oszilloskops. Man glaubt das erst wenn man es gehört und gesehen hat. Darum bringen wir dieses Album auch auf die Klangbilder 2019!

Als DJ und Liebhaber der elektronischen Musik möchte ich noch auf einen wahren Diamanten der Musikgeschichte aufmerksam machen. The History Of The House Sound Of Chicago ist eine wahre Schatztruhe, welche die Anfänge und die Entstehung der House Musik in Chicago umfassend abbildet. Zwar nicht in der besten Qualität, denn die Vinyls sind sehr eng gepresst, aber in Anbetracht der 120 Tracks, die man bekommt und angesichts des großartigen Inlays kann man darüber hinwegsehen. Als DJ kann man dann ohnehin am Mischpult etwas nachbessern, sollte man diese Compilation doch mal in einen Club mitnehmen, um die eine oder andere Nummer zum Besten zu geben.