CEO Pro-Ject Audio, Musical Fidelity
Im letzten Jahr schrieb ich hier, dass wir wieder lernen müssen, Stereo, also das wahre 3D, zu hören. Und nicht Mono, wie es alle aktuellen Bluetooth und die meisten Soundbars praktisch bieten – und das sind ja mittlerweile 95 Prozent der heute verkauften Lautsprecher.
Die Menschen müssten wieder lernen, sich bewusst hinzusetzen und Musik zu genießen. Jetzt, ein Jahr später, haben wir vielleicht den einen oder anderen Kunden motiviert, aber die Gesamtheit des Marktes befindet sich in einem Feature-Krieg. So tauchen in Amazon mehr und mehr Plattenspieler auf, die alles integriert haben: Bluetooth, USB zum Aufnahmen, Vollautomatik, und was man sich sonst noch einfallen lässt, doch der Abtaster ist billigst, das Chassis aus Plastik und der Tonarm samt der Phonostage für 80 Cent eine Zumutung. Schade um jeden Euro, wenn ich darauf meine Vinyl-Juwelen abspielen will.
Bei dieser – und da ist das Wort schon eine maßlose Übertreibung: - „Qualität“, dazu für Komfort und Hintergrunds-Musik täte es locker jeder Streaming-Dienst. Features, Features, Features überschwemmen die Szene. Da spricht man, wie gut eine App ist, und dann wird jedes Geräusch zum „tollen Klang“ hochgejubelt. Auf den Webseiten der Massenhersteller werden Superlativen für einen Plastikbomber für 500 Euro verwendet, und der Konsument vergisst ganz darauf, dass er für dieses Geld schon echte HiFi-Geräte mit Klang erhalten könnte.
Wie soll sich der Kunde da noch auskennen? Ich ahne, dass die Audiowelt noch weiter auseinanderdriften wird: auf der einen Seite die Sprach- oder App-gesteuerten Quasi-Mono-Lautsprecher (Schlagwort „Wireless“, wobei alle vergessen, dass man hier auch ein Stromkabel und besser auch ein Lan-Kabel verwenden muss) und auf der anderen Seite die Superlative-High-End-Fraktion, wo die Kabel bei 10.000 Euro beginnen und Lautsprecher nicht billiger als 50.000 oder gar 100.000 Euro sein dürfen.
Wir haben uns entschieden, konsequent den Weg der Mitte weiterzugehen. Wir werden niemals Non-Stereo-Produkte bauen und nie mit Klangprozessoren arbeiten. Unsere Materialien sind höchstwertig und stammen möglichst aus Europe. Und wir fertigen nur in Europa. Und, das wissen alle, die mich durch die Jahre begleitet haben: Wir bieten auch in Zukunft für Leute mit kleineren Brieftaschen aber der großen Freude an guter Musikwiedergabe Geräte an und werden auch nie in das Ultimativ-High-End jenseits der 10k abgleiten.
Unser Weg ist nicht der billigste und geschweige denn auch nicht der Mainstream, aber langfristig denke ich, dass das „HiFi der Mitte“ für interessierte Musikliebhaber wieder genauso im Trend liegen wird wie heute der Plattenspieler!