Tonmeister, Produzent
Edison Production / The Spirit of Turtle / Merging Technologies
Eine ganz persönliche Sicht auf den Stand der Digitaltechnik nach 30 Jahren Entwicklung (freie Zusammenfassung des Textes „The Growing-up of Digital Audio“, den technisch Wissbegierige im Anschluss im Original lesen können)
Vor etwa 35 Jahren kam ich zum ersten Mal mit professioneller digitaler Audiotechnik in Berührung. Ich hatte meine Aufnahmen – wie es damals üblich was – im analogen Medium, mit fantastischen Studer und Telefunken Maschinen gemacht, sowohl in Stereo als auch Mehrkanal. Das war um diese Zeit das ausgereifte Non plus Ultra. Aber bald gab es immer mehr Nachfrage nach den brandneuen digitalen Aufnahmesystemen, die – wie es schien – einen enormen Vorteil in Flexibilität und Klangqualität brachten.
Meine erste Begegnung mit dem digitalen Phänomen war ein 48 kHz/14 Bit A/D-Wandler, aber bald darauf kam Sony mit seinen professionellen 16-Bit-Systemen auf den Markt, mit der PCM F1 und später der PCM 601/701, eigentlich hochspezialisierte Videorecorder, die imstande waren, den Datenstrom korrekt aufzunehmen und wiederzugeben. Das analoge Tonband war Geschichte.
Es war in der Tat beeindrucken, wie „leise“ und „verlustfrei“ man nun aufnehmen und bearbeiten konnte. Mit Sonys U-Matic Editiermaschinen 1100 und 1630 konnte man Zweikanalaufnahmen ohne Mühe bearbeiten. Der Erfolg des Formats, der sich nun auch in der Einführung der CD wiederspiegelte, gab der gesamten Branche einen enormen Auftrieb.
Plötzlich fanden sich Produzenten und Tonmeister in den Credits der Booklet, fast so wichtig wie die Künstler selbst. Das spiegelte auch die Einschätzung wider, dass der Konsument daheim nun theoretisch eine ebensolche Qualität wie im Studio erzielen konnte. Man konnte nun den Klang von vornherein genauer denn je beurteilen, dass es keine Veränderungen mehr durch Umkopieren oder Vinyl-Mastering gab. Die Diskussion, welche Pressung die beste war, konnte man abhaken. Zumindest für eine Weile….
Als sich die anfängliche Euphorie gesetzt hatte, merkten wir Professionals allmählich, dass „irgendetwas“ mit dem Format an sich nicht stimmte. Es hatte vergleichsweise zu Analog bei der Vermittlung an Charme und Musikalität verloren. Das war kaum zu begreifen, da 95% der traditionellen Parameter, wie Frequenzgang, Gleichlauf, Geräuschspannungsabstand und Kopiergenauigkeit ja überwältigend besser waren als in der Analogzeit. Zuerst dachten wir, der Samplingprozess und das notwenige Filtern wäre dafür verantwortlich.
So experimentierte ich bald mit hohen Samplingraten von 192 kHz/24 Bit und dachte, damit eine Antwort gefunden zu haben. Transparenz und schnelle Impulsantwort bekamen der Hauptfaktor im Bewerten von Digitalaufnahmen. Als ich dann bei Philips auf die noch junge SACD stieß, musste ich erkenne, dass das letzte Wort bei „Digital“ noch nicht gesagt war. Allerdings schien mir das System mit 352,8 kHz/32 Bit, so von 2005 an, schon substanziell „erwachsen“ zu sein.
Es geschah im letzten Jahr
Seit mehreren Jahren bin ich nun auch als leidenschaftlicher Prediger in High End Audio für die Schweizer Firma Merging Technologies tätig. Mit ihrem NADAC (Network attached Digital to Analog Converter) Multikanal-Wandler, der alle existierenden HiRes-Formate beherrscht, haben nun auch Konsumenten die Möglichkeit, Musik so getreu zu hören wie beim Aufnahmeprozess.
Das seit letztem Jahr neueste Produkt ist die Merging+Clock-ULN (Ultra Low Phase Noise) Master-Clock, welche die Präzision des NADAC auf ein bisher ungeahntes Maß hebt. Kurz gesagt, diese Präzision beim Sampling wie bei der Wiedergabe der Digitaldaten ist exakt das, was Digital Audio benötigt, um nun auch auf dem Gebiet der absoluten Zeitrichtigkeit mit Analog gleichzuziehen. Das war der Klang, den ich bei Musik von den Mikrofonen direkt im Vorverstärker abhöre (also noch ohne Digitalisierung). Nicht mehr Bits oder Datenraten sind offenbar die Lösung des „Heiligen Digital Grals“, sondern die datenkontrollierende Clock!
Hören ist das erste sensorische System, das schon im Embryo entwickelt wird und uns mit dem Universum rund um uns verbindet. Der emotionale Eindruck von Klang ist viel tiefgehender als unser Sehen. Wenn mikrofeine Impulse für die Ortung wichtig sind (unser urzeitlich angelegtes Warnsystem), so ortet unser Gehirn auch rasch, wenn Musik nicht zeitrichtig anlangt. Irgendetwas stimmt dann nicht, wenn es auch nicht gleich klar ist, was.
Für mich jedenfalls endet die Diskussion “Analog gegen Digital“. Im Moment. Ich bin schon gespannt, wann und ob mich “irgendetwas” in der Zukunft stören wird.
PS: Selbstverständlich wurde die Brahms-Aufnahme mit Claudio Vandelli und den Würth Philharmonikern, deren Weltpremiere bei den klangBildern 2019 gefeiert wird, mit „der Clock“ aufgenommen. Auch ihre Wiedergabe im Salon Vis läuft, Clock-stabilisiert, ab.
Die Fotos, die uns Bert van der Wolf freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat, zeigen zum einen die Aufnahmesituation in Künzelsau, wo Claudio Vandelli und die Würth Philharmoniker die neue Brahms-Platte einspielten, und zum anderen die Klavierfabrik Bösendorfer in Wiener Neustadt, wo Bert im September die österreichische Pianistin Dora Deliyska – sie spielte letztes Jahr bei der Eröffnung der klangBilder – mit ihrem neuen Konzeptalbum „Alles Walzer“ verewigte.